Im Gewerbe ist die lehrbegleitende Berufsmaturität (BM) nicht so stark verbreitet. Anders bei der Speck Schreinerei in Oberwil. Sie bildet seit Jahren erfolgreich BM-Lernende aus. Warum, erklärt Geschäftsführer Roland Speck im Interview mit «Berufsbildung Zug».
Roland Speck, die lehrbegleitende Berufsmaturität ist in kaufmännischen und technischen Berufen weit verbreitet, im Gewerbe bedeutend weniger. In Ihrem Betrieb in Oberwil machen drei von vier Lernenden die Schreinerlehre mit dem BM-Zusatz. Warum bilden Sie überhaupt BM-Lernende aus?
Weil BM-Leute meistens die besseren Lernenden sind. Sie sind im Schnitt motivierter und leistungsbereiter. Klar fehlen sie einen halben Tag mehr im Betrieb, aber normalerweise machen sie das wett, indem sie schneller lernen und effizienter arbeiten.
Wie lange bilden Sie schon BM-Lernende aus?
Das haben wir schon immer angeboten. Ich rate niemandem ab, die BM zu machen, wenn es schulisch möglich ist. Der Schreiner ist zwar ein handwerklicher Beruf, aber er ist heutzutage auch sehr technisch. Es braucht ein gutes Vorstellungsvermögen und ein gutes Zahlenverständnis, um ein guter Schreiner zu werden.
Dann kann er auch zwei linke Hände haben?
Nein, natürlich nicht. Aber die kognitiven Fertigkeiten sind mindestens ebenso wichtig wie die Fingerfertigkeit.
Wie kommen Sie denn zu den guten Lernenden?
Indem wir bei der Selektion auch aufs Zeugnis achten. Die Leistungen in Mathematik, Geometrie und Werken geben wichtige Aufschlüsse. Das Wichtigste ist aber der persönliche Eindruck, den die jungen Leute bei uns im Betrieb hinterlassen.
Bei der Schnupperlehre, meinen Sie?
Ja. Die Kandidaten absolvieren zuerst ein Berufswahlpraktikum während der 2. Sekundarschule, um den Beruf und den Betrieb kennenzulernen. In den Sommerferien vor dem 9. Schuljahr machen sie dann noch einmal ein 2-tägiges Selektionspraktikum. Dass die jungen Leute zweimal bei uns im Betrieb sind, hat sich bewährt. Das gibt für beide Parteien eine bessere Entscheidungsgrundlage.
Mussten Sie auch schon jemandem von der Kanti abraten?
Nein, eher umgekehrt. Lars Weber zum Beispiel hat die Kantonsschule nach drei Jahren trotz sehr guten Schulleistungen abgebrochen, da ihm das Praktische gefehlt hat. Jetzt macht er bei uns eine 4-jährige Schreiner-Lehre mit BM. Und zwei Jahre zuvor war Nathalie Roth bei uns, die dasselbe gemacht hat. Jetzt studiert sie an einer Fachhochschule.
Das ist natürlich auch ein Nachteil der lehrbegleitenden BM. Dass es die guten Schüler nach der Ausbildung eher wegzieht, oft sogar in andere Branchen.
Das ist sicher so. Das kann man aber nicht verhindern, indem man jemandem verwehrt, die BM zu machen. Wir brauchen viele gut ausgebildete Berufsleute. In diesem Sinne stärkt die BM das duale Berufsbildungssystem. Sie ist eine super Alternative zur gymnasialen Matur.
Wie meinen Sie das?
Zwischen 16 und 20 Jahren passiert enorm viel in der Entwicklung der jungen Menschen. Und wenn man da Verantwortung übernehmen kann und erfährt, was es heisst zu arbeiten, dann kann das einem nur guttun. Wer eine Lehre macht, steht mit 16 Jahren schon viel stärker im Leben als jemand, der die Kanti absolviert.
Sie selber haben damals die BM ebenfalls lehrbegleitend absolviert. Im ersten BM-Jahrgang überhaupt. Was hat sich seither verändert?
Das kann ich im Detail nicht beurteilen. Tendenziell denke ich, dass es anspruchsvoller geworden ist. Ausserdem hatten wir früher zwei Tage Schule, heute nur noch anderthalb. Das ist sicher besser für den Betrieb.
Warum sollten die jungen, schulisch starken Leute eine BM machen?
Wir brauchen gute Kaderleute. Die Schreinerbranche bietet ausgezeichnete Perspektiven. Wer eine Lehre mit BM absolviert und sich dann weiterbildet, ist generell eine gefragte Person auf dem Arbeitsmarkt. Und es ist auch gut möglich, dass man später mehr verdient, als wenn man die Kanti besucht hat.
Dieser Beitrag erschien 2019 im Magazin «Berufsbildung Zug» und wurde durch api media verfasst.